Wandern im Ötztal: Von der Familienwanderung bis zur Gletschertour

Von der einfachen, gemütlichen Wanderung für die ganze Familie bis zur anspruchsvollen Gletschertour – im Ötztal findet sich eine Vielzahl an Tourenmöglichkeiten.

Fährt man vom Inntal durch karge Kiefernhügel südwärts ins Ötztal, sieht man sich bald dem Riesentor zwischen Armelenwand und Habicher Wand gegenüber. Davor erstrecken sich sonnenhell die Wiesen vom Berg über Oetz bis zum Plateau von Sautens. Dazwischen versteckt sich der unter Naturschutz stehende Piburger See mit seinen 24 Grad Wassertemperatur als beliebtes Ausflugsziel für Wanderer, die nach der Tour baden wollen. Hinter dem dunklen Tor erreicht man den grünen Talgrund am Beginn der Schiefen Ebene von Umhausen. Darüber schweben schäumende Kaskaden von zyklopischen Felsen herab, die an steilen Talflanken zwischen dunklen Nadelwäldern hervorlugen.

Nach Umhausen verschwindet man im tiefen Einriss der Maurach-Klamm, wo die Ötztaler Ache sich bei Hochwasser an den Geröllflanken des Taufererbergs austobt. Dieser ist das Resultat des größten der nacheiszeitlichen Bergstürze im Ötztal, der gleich zwei Drittel eines Bergs samt Gipfel mit sich riss: Drei Milliarden Kubikmeter Gestein brachen von der Westseite ins Tal herunter und schütteten auf der Ostseite den Taufererberg auf.

Die Geröllmassen stauten die Ötztaler Ache zu einem See, der später ablief: Plötzlich weitet sich das Tal zur anderthalb Kilometer breiten Ebene von Längenfeld, überzogen mit einem Teppich aus grünen Wiesen und gemustert von Bauernweilern. Die schroffen Bergflanken darüber lassen kaum erahnen, dass westlich in den Ötztaler Alpen Hochtäler mit saftigen Almweiden und blanken Seeaugen warten; während östlich die Vorposten der Stubaier Alpen Blumenwiesen und zünftige Bergtouren versprechen. Da es außer in Oetz keine Aufstiegshilfen in Form von Seilbahnen gibt, lässt sich die ganze Gebirgspracht des Vorderen Ötztals nur auf Schusters Rappen oder per Drahtesel erkunden.

Von der Kinderwanderung zum Erlebnisklettersteig

Ideal für Familien mit Kindern ist die kurze, aber abwechslungsreiche Runde über den Winklboden. Von Längenfeld-Winklen startet die Wanderung für unternehmungslustige Kinder durch den „Märchenwald Winkelberg“. Nach hartem 100-Höhenmeter-Aufstieg lockt der bezaubernde Winkelbergsee, in dem kleine schwarze Kaulquappen herumzappeln – gut geschützt vor den pfeilschnell durchs kalte Wasser schießenden Forellen durch einen Trennsteg, über den die Kinder vorsichtig von den Felsen des einen Ufers zu den Wurzeln des anderen balancieren.

Danach laufen die Kleinen auf dem „Geolehrpfad“ über den mit lichtem Nadelwald bewachsenen Winklboden zu einem rechts abzweigenden Fußpfad. Er führt im finsteren Fichtenforst durch ein wüstes Trümmerfeld aus riesigen Urgesteinsblöcken, die mit weißen Flechten, grünen Moosen und verschlungenen Baumwurzeln bewachsen sind. Nun dienen die Relikte eines Bergsturzes allen Naturbegeisterten als Abenteuerspielplatz.

Am ungleich größeren Bergsturzrelikt des Taufererbergs schräg gegenüber, welcher 530 Meter über dem Talboden aufgeschoben wurde (Wolfsegg 1.680 m), lässt sich in einer kurzweiligen Rundwanderung der höchste Wasserfall Tirols besichtigen. Am Beginn, am Südende der Schiefen Ebene von Umhausen, befindet sich ein rekonstruiertes Steinzeitdorf (Neolithikum, ca. 3300 v. Chr.). Es diente als Kulisse für einen Film über den aus dem Eis am Tisenjoch getauten „Ötzi“ und bietet jetzt Vorstellungen und Wildpferde. Während dem folgenden Aufstieg durchs Horlachtal lässt sich der in zwei Kaskaden abbrechende Stuibenfall bewundern, der den Schweiß mit Sprühnebel kühlt. Danach kommen die in blühende Wiesen eingebetteten Bauernweiler auf der Hochebene von Niederthai gerade Recht. Hier oder beim Abstieg vom Mauslesattel (1.635 m) übers Gasthaus Wiesle lässt sich gut einkehren, bevor man an der bewaldeten Flanke oberhalb der Maurachschlucht auf einem alten Saumpfad zurück quert. Überall ragen Urgesteinsblöcke aus dem Wurzelwerk hervor, die durch nichts als Lehm miteinander verbunden sind.

Bombenfest hingegen ist der Fels am Burgstein, der hinter Längenfeld als lotrechte Felskanzel ins Auge springt. Der Reinhard-Schiestl-Klettersteig schießt vom Einstieg weg so steil hoch, dass zartere Gemüter gleich umdrehen – trotz Sicherung am Drahtseil und Eisentritten für die Füße. Danach geht es in leichterem Fels entschlossen weiter hinauf zur Schlüsselstelle einer abdrängenden Felsnase. Zur Belohnung darf man sich ins Wandbuch eintragen. Nach ausgesetzter Querung und einer glatten Platte steht man plötzlich auf einer sanften Wiesenkuppe unter den Häusern von Burgstein. Im Sonnenhof schweift der Blick bei einer Spezi entspannt über das Ötztal. Danach lässt sich abwärts bummeln zum Aqua Dome, einem Erlebnis-Schwimmbad, das man hier nicht erwarten würde.

Bergtouren an der Schneegrenze

Eine richtige Bergtour dagegen führt von Umhausen rauf zum Wildgrat im Geigenkamm zwischen Ötztal und Pitztal. Wanderer müssen größtenteils auf einem Fahrweg zur Erfurter hochhatschen. Viele lassen sich deshalb mit dem Bergtaxi kutschieren – oder schwingen sich aufs Mountainbike. Von der gurgelnden Ötzer Ache (983 m) kurbelt man zügig durch kühlen Wald mit flechtenbärtigen Fichten aufwärts. Schleckermäuler weiden die Heidelbeeren darunter ab.

Beim einem Links-Abzweig beginnt eine Art Ötztaler Ironman: Erst kurbelt man tausend Höhenmeter ohne Ruhephase zur Hinteren Fundusalm (1.964 m) und versucht, sich ohne Absteigen den Karrenweg zur Frischmann-Hütte hochzuquälen (2.192 m, 1.200 Hm; Übernachtung möglich). Dann kommt der schottrige Aufstieg zur Feilerscharte (2.926 m), und die letzten Meter zum luftigen Gipfel des Fundusfeiler (3.079 m, 2.100 Hm) muss man noch schwindelfrei sein!

Wildgrat fährt man rechtshaltend weiter zur Vorderen Leierstalalm (1.798 m; Endpunkt des Bergtaxis) und links über einen Karrenweg durchs Leierstal aufwärts bis zur Materialseilbahn (1.864 m). Hier schließt man die Räder ab und steigt zwischen blumenübersäten Wiesenhängen und plattigen Felsen hinauf zur steinernen Erlanger Hütte (2.541 m, 1.550 Hm). Die krallt sich zwischen Hochtal und Wettersee in einen Granitbuckel mit Fernsicht auf die Stubaier Alpen und Nahsicht in einen weiten Karkessel. Den steinigen Weg, vorbei am spiegelblanken See und hinauf zum Wildgrat sollte man entweder abends oder in der Morgendämmerung unter die Schuhe nehmen, um den prachtvollen Sonnenunter- bzw. –aufgang am felsigen Panoramagipfel des Wildgrats zu erleben (2.971 m). Vom grauen Wettersteingebirge mit der Zugspitze im Nordosten, über das Gipfelgewirr der Lechtaler Alpen, bis zu den schartigen Spitzen der Silvretta im Südwesten ist alles geboten. Die düstere Felsmauer im wilden Kaunergrat ist die Rofelewand und im Südosten zieht sich der Geigenkamm 30 Kilometer lang bis zum vergletscherten Weißkamm mit der Wildspitze (3.770m) hinter. Im Osten thronen über aussichtsreichen Bergspornen und tief eingebetteten Steilkaren hoch überm Ötztal schroffe Urgesteinsketten, die sich zu den nördlichsten Dreitausendern mit Minigletschern aufschwingen.

Genau dort quert der faszinierende, aber lange Wilhelm-Oltrogge-Weg durch, der trotz einiger Drahtseilsicherungen Trittsicherheit und Schwindelfreiheit erfordert. In voller Bergmontur schwebt man von Oetz am Beginn des Ötztals mit der Acherkogelbahn nach Hochoetz (2.020 m). Die bunten Almwiesen an der Neuen Bielefelder Hütte (2.112 m) bilden einen wohligen Kontrast zu den abweisenden Felsplatten des Acherkogels (3.007 m) unter denen man zum unerwartet flachen Rücken der Achplatte quert. Gegenüber breitet sich die Gipfelwelt des nördlichen Geigenkamms aus, während von unten der Piburger See verheißungsvoll herauf schimmert. Der wild gegen den tiefblauen Himmel gezackte Grat zum Hochbrunnachkogel überragt die in Rinnen hinein, auf Rippen heraus und über Geröll hinweg führende Panorama-Querung durchs Acherkar bis zur „Mittelstation“ des Lauser (2.616 m; Abstiegsmöglichkeit über Farst ins Ötztal).

Kaum zu glauben, dass der Weg genau durch die Schrofenflanke des Grats zur Hochreichscharte (2.910 m) weiterführt. Vom Höhepunkt der Tour lässt sich als Sahnehäubchen sogar der Hochreichkopf besteigen (3.010 m). Der lange Abstieg durch das mühsame Horlacher Kar endet geradewegs an der Guben-Schweinfurter Hütte, wo man nach dieser 9-Stunden-Tortour übernachten sollte. Am nächsten Tag wandert es sich leichter durchs Horlachtal nach Umhausen, wo man bei einem Radler im Gasthaus Hofer auf den Bus zurück nach Oetz warten kann.

Frohe Weihnachten!

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